Von 1892 bis 1895 lebte der Tschechische Komponist Antonín Dvořák in New York, wo er Direktor des National Conservatory of Music war. In dieser Zeit schrieb er einige seiner berühmtesten Werke: die Sinfonie Nr. 9 „Aus der neuen Welt“, das „amerikanische“ Streichquartett Op. 96 oder auch das Te Deum. Weniger bekannt sind die ebenfalls in dieser Zeit entstandenen zehn „Biblischen Lieder (Biblické Písně)“, Op. 99, die Dvořák zunächst für Singstimme und Klavier schrieb. Ein Jahr später veröffentlichte der Komponist auch eine Fassung der ersten fünf Lieder für Singstimme und Orchester. Die anderen fünf Lieder wurden später von Vilém Zemánek, Jarmil Burghauser und Jan Hanuš für Singstimme und Orchester bearbeitet.
Die tschechischen Texte der Lieder sind dem biblischen Buch der Psalmen entnommen. Dvořáks Verleger Simrock bestand für die Veröffentlichung zusätzlich auf deutschen Texten. Es stellte sich aber schnell heraus, dass die deutschen Psalmtexte überhaupt nicht zu der Musik Dvořáks passten, so dass der Komponist die deutschen Texte stark anpassen musste, damit sie einigermaßen zur Musik passten. Musikalisch kommt in den Biblischen Liedern wie in anderen Werken Dvořáks aus seiner New Yorker Zeit seine Sehnsucht nach der böhmischen Heimat zum Ausdruck. Vermutlich waren aber auch die Nachrichten vom Tod zweier Freunde, Peter I. Tschaikowsky und Hans von Bülow, Auslöser für die Beschäftigung mit den Psalmtexten.
Die Mezzosopranistin Marlene Lichtenberg wird die Biblischen Lieder gemeinsam mit dem Reutlinger Kammerorchester bei seinem Herbstkonzert am Ersten Advent (27. November 2022) in der Reutlinger Kreuzkirche in tschechischer Sprache zu Gehör bringen. Eingerahmt wird das Werk von Beethovens Egmont-Ourvertüre und Mozarts Linzer Sinfonie. Die Gesamtleitung hat erstmals der neue Chefdirigent des Reutlinger Kammerorchesters Thomas J. Mandl.